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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 08.02.2008
Aktenzeichen: 6 W 129/07
Rechtsgebiete: GKG, ZPO
Vorschriften:
GKG § 63 Abs. 3 S. 2 | |
ZPO § 91 a |
Gründe:
I. Das Landgericht erließ mit Beschluss vom 07.11.2005 (Bl. 31 f. d.A.) antragsgemäß eine einstweilige Verfügung, durch die den Antragsgegnern bestimmte Äußerungen untersagt wurden, die sie auf der Internetseite "....de" verbreitet hatten (Anlage ASt 5 = Bl. 30 d.A.). Zugleich setzte das Landgericht den Streitwert - übereinstimmend mit der Wertangabe der Antragstellerin - auf 100.000 EUR fest.
Vorausgegangen war beim LG Frankfurt a.M. das einstweilige Verfügungsverfahren 2-06 O 502/05. In diesem Verfahren hatte die Antragstellerin eine Zitatzusammenstellung auf der Website "....de" (Anlage AG 6 = Bl. 88 d.A.) beanstandet und ein entsprechendes Verbot erwirkt. Die Zitate, die gegenüber sog. Dienstleisterverlagen ("Zuschussverlagen") abträgliche Äußerungen beinhalten, waren in einer Weise präsentiert worden, die den Eindruck erwecken konnte, sie entsprächen der Auffassung des Herrn Dr. A, dem Autor des Werks ".X". Tatsächlich hatte Herr Dr. A, der bei der Antragstellerin bzw. der B in maßgebender Position tätig war und in der Öffentlichkeit weiterhin mit ihr in Verbindung gebracht wird, die fraglichen Äußerungen seinerseits nur zitiert, um deren Unrichtigkeit darzulegen.
Der Streitwert war in dem Eilverfahren 2-06 O 502/05 von der Antragstellerin mit 15.000 EUR angegeben und vom Landgericht in dieser Höhe festgesetzt worden.
Das im vorliegenden Verfahren mit Beschluss vom 07.11.2005 ausgesprochene Verbot betraf sodann den nach der Unterlassungsverfügung in der Sache 2-06 O 502/05 geänderten Internetauftritt, in dem die Antragsgegner nach Auffassung der Antragstellerin jedoch weiterhin den Eindruck erweckten, die gegenüber Dienstleistungsverlagen negativen Äußerungen (die wegen des Verbots nicht mehr zitiert wurden) stammten von Herrn Dr. A.
Die Antragsgegner legten gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch ein. Nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung durch die Antragsgegner erklärte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 27.03.2006 die Hauptsache für erledigt. Mit Schriftsatz vom 22.05.2006, der per Telefax noch am selben Tag bei Gericht einging, schlossen sich die Antragsgegner der Erledigungserklärung an. Mit Beschluss vom 26.07.2006 (Bl. 161 ff. d.A.) entschied das Landgericht gemäß § 91 a ZPO über die Kosten, die es den Antragsgegnern auferlegte. Die gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde nahmen die Antragsgegner am 15.05.2007 zurück.
Hinsichtlich des Streitwerts baten die Antragsgegner mit Schriftsatz vom 05.04.2007 (Eingang bei Gericht am 10.04.2007) um Überprüfung (Bl. 252 f. d.A.), wobei sie auf die niedrigere Streitwertfestsetzung in der Sache 2-06 O 502/05 hinwiesen. Mit Schriftsatz vom 14.05.2007 (Eingang bei Gericht am 15.05.2007) baten die Antragsgegner darum, den Schriftsatz vom 05.04.2007 als Streitwertbeschwerde aufzufassen.
Das Landgericht hat der Streitwertbeschwerde nicht abgeholfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beschwerde sei nicht fristgerecht eingelegt worden. Die Sechsmonatsfrist gemäß §§ 68 I 3, 63 III 2 GKG habe nämlich schon bei Vorlage der übereinstimmenden Erledigungserklärungen begonnen, nicht erst mit der Rechtskraft der nach § 91 a ZPO getroffenen Kostenentscheidung.
Die Antragsgegner sind demgegenüber der Auffassung, wegen des Fristbeginns sei auf den Kostenbeschluss abzustellen. Zur Begründetheit der Beschwerde verweisen sie insbesondere auf die Wertangabe und Wertfestsetzung in dem Verfahren 2-06 O 502/05; sie meinen, das Unterlassungsinteresse der Antragstellerin könne in der vorliegenden Sache jedenfalls nicht höher sein.
II. Die Streitwertbeschwerde der Antragsgegner ist zulässig, insbesondere ist sie innerhalb der Sechsmonatsfrist gemäß §§ 68 I 3, 63 III 2 GKG eingelegt worden.
Die Sechsmonatsfrist beginnt, sobald die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat (§ 63 III 2 GKG). Eine anderweitige Verfahrenserledigung i.S.v. § 63 III 2 GKG hat das Landgericht in der Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen gesehen; auf den später ergehenden Kostenbeschluss komme es für den Fristbeginn dann nicht mehr an. Diese Auffassung wird auch in der Literatur vertreten (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 37. Auflage, § 63 GKG Rdn. 55; Binz/ Dörndorfer/ Petzold/ Zimmermann, GKG - JVEG, Kommentar, Rdn. 11 zu § 63 GKG; Meyer, GKG, 9. Auflage, § 63 Rdn. 11; Mayer/ Kroiß, RVG, 2. Auflage, § 32 Rdn. 38). Das OVG Münster hat ebenfalls entschieden, dass die Frist für eine Streitwertbeschwerde nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen mit dem Eingang der letzten Erledigungserklärung bei Gericht beginne (NVwZ-RR 2006, 649 f.). Allerdings bedurfte es im dortigen Verfahren nach Abgabe der übereinstimmenden Erledigungserklärungen keiner Kostenentscheidung i.S.v. § 91 a ZPO mehr, sondern lediglich eines deklaratorischen Einstellungsbeschlusses.
Nach der Auffassung des Senats beginnt die Sechsmonatsfrist gemäß §§ 68 I 3, 63 III 2 GKG im Falle übereinstimmender Erledigungserklärungen nicht, bevor eine rechtskräftige Kostengrundentscheidung ergangen ist (vgl. auch OLG Hamm, OLGR 2002, 313 f., wo es auf den genauen Fristbeginn allerdings nicht ankam). Insoweit ist nicht entscheidend auf semantische Übereinstimmungen zwischen §·91 a ZPO und § 63 III 2 GKG abzustellen. Die Begriffe "Hauptsache" und "Erledigung" können je nach dem Kontext, in dem sie stehen, eine etwas unterschiedliche Bedeutung haben. In § 63 III 2 GKG kann unter dem Wort "Hauptsache" der Hauptsacheanspruch samt Nebenforderungen und Kosten verstanden werden (vgl. Meyer, GKG, 9. Auflage, § 63 Rdn. 34; s.a. den Beschluss des OLG Karlsruhe vom 23.06.1987 - 16 WF 19/87, Juris-Ausdruck, Rdn. 14); entsprechend umfassend ist dann auch der Begriff der anderweitigen Erledigung zu interpretieren. Maßgebend für die Auslegung des § 63 III 2 GKG ist aber vor allem der Zweck der Sechsmonatsfrist. Die Befristung der Beschwerdemöglichkeit entspricht einem Gebot der Rechtssicherheit, da von der Wertfestsetzung die Höhe der Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren abhängt; anzuknüpfen ist demzufolge an den Zeitpunkt, ab dem die Berechnung und Abwicklung der Gerichts- und Anwaltsgebühren uneingeschränkt möglich ist (vgl. BGH, NJW 1961, 1819 f.). Kommt es somit auf die Möglichkeit der (endgültigen) Gebührenberechnung und Kostenfestsetzung an, so kann eine anderweitige Erledigung i.S.v. § 63 III 2 GKG nicht eintreten, solange eine zwingend notwendige Entscheidung über die Kosten des Verfahrens noch nicht getroffen wurde.
Mit dieser Einschätzung steht in Einklang, dass im Falle einer Klagerücknahme der Fristbeginn für die Streitwertbeschwerde nach weit verbreiteter Ansicht (frühestens) mit dem Kostenbeschluss nach § 269 IV ZPO eintritt (vgl. OLG Rostock, MDR 1995, 212; Stein/ Jonas, ZPO, 22. Auflage, § 2 Rdn. 88; Hartmann, Kostengesetze, 37. Auflage, § 63 GKG Rdn. 54; Binz/ Dörndorfer/ Petzold/ Zimmermann, GKG - JVEG, Kommentar, Rdn. 11 zu § 63 GKG; Meyer, GKG, 9. Auflage, § 63 Rdn. 34; Mayer/ Kroiß, RVG, 2. Auflage, § 32 Rdn. 38). Ähnlich verhält es sich, wenn nach einem Teilanerkenntnisurteil erst im Schlussurteil über die Kosten zu entscheiden ist (vgl. hierzu OLG Bamberg, JurBüro 1980, 1865 ff.).
Die Frist für die Streitwertbeschwerde beginnt jeweils nicht vor dem Zeitpunkt, zu dem eine Kostenentscheidung überhaupt erst die Möglichkeit zur Abrechnung und Festsetzung der Gebühren gibt. Für den Fall der übereinstimmend erklärten Erledigung der Hauptsache kann nichts anderes gelten. Dem widerspricht auch nicht die Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen des BGH vom 14.02.1978 (BGHZ 70, 365). Soweit dort der vorlegende Senat für den Beginn der Streitwertbeschwerdefrist auf die Abgabe der übereinstimmenden Erledigungserklärungen abgestellt hatte, bestand die Besonderheit, dass mit den dort abgegebenen Erklärungen zugleich auf eine Kostenentscheidung verzichtet worden war (vgl. Juris-Ausdruck Rdn. 8).
Im vorliegenden Fall haben die Antragsgegner ihre Streitwertbeschwerde demnach rechtzeitig eingelegt. Der Kostenbeschluss des Landgerichts vom 26.07. 2006 wurde zunächst nicht rechtskräftig, da die Antragsgegner fristgerecht Beschwerde einlegten. Erst mit der Rücknahme der Beschwerde am 15.05.2007 trat die Rechtskraft ein.
Die Beschwerde ist auch begründet. Aus dem Hinweis der Antragsgegner auf die Wertfestsetzung in dem Verfahren 2-06 O 502/05 und der mit einem bezifferten Antrag versehenen Streitwertbeschwerde in dem Parallelverfahren 2-06 O 629/05 (6 W 130/07) erschließt sich, dass die Antragsgegner auch in der vorliegenden Sache eine Herabsetzung des Streitwerts auf 15.000 EUR anstreben. Hiermit haben sie Erfolg. Der vom Landgericht auf 100.000,-- EUR festgesetzte Streitwert ist (für den Zeitraum bis zur Erledigungserklärung der Antragstellerin) auf 15.000,-- EUR zu ermäßigen.
Ausgangspunkt für eine angemessene Streitwertbemessung ist die Wertfestsetzung und die ihr zugrundeliegende eigene Einschätzung der Antragstellerin in dem Verfahren 2-06 O 502/05. Die Einschätzung der Antragstellerin bei Beginn des genannten Verfahrens, dessen Ausgang sie nicht sicher prognostizieren konnte, hatte Indizwirkung für die Frage, wie das Unterlassungsinteresse der Antragstellerin zu bewerten ist. Die Antragstellerin hat nicht dargetan, dass ihre damalige Wertangabe der Bedeutung des Unterlassungsanspruchs in der Sache 2-06 O 502/05 nicht ausreichend entsprochen habe. Für eine eher maßvolle Bewertung sprach im Übrigen der Umstand, dass die Antragstellerin nicht schlechthin gegen eine Verbreitung der fraglichen Zitate vorging, sondern gegen die Rolle, die Herrn Dr. A in diesem Kontext scheinbar zugewiesen wurde. Zu berücksichtigen war außerdem, dass es sich um ein Eilverfahren handelte.
Der in dem vorliegenden Eilverfahren geltend gemachte Unterlassungsanspruch hat ersichtlich keine größere objektive Bedeutung für die Antragstellerin und damit auch keinen höheren Wert als der ursprüngliche Unterlassungsanspruch. Zwar handelte es sich jetzt um einen nochmaligen Wettbewerbsverstoß. Dieser ergab sich aber lediglich daraus, dass die Antragsgegner dem ersten Verbot nicht in ausreichend angemessener Form Rechnung getragen hatten.
Demzufolge erscheint auch im vorliegenden Verfahren ein Streitwert von 15.000,-- EUR angemessen und ausreichend. Durch die Erledigungserklärung der Antragstellerin hat sich der Streitwert sodann für den nachfolgenden Zeitraum auf das Kosteninteresse reduziert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 II Nr. 1 ZPO zugelassen. Denn die Frage, wann nach der Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen die Sechsmonatsfrist gemäß § 63 III 2 GKG beginnt, ist von grundsätzlicher Bedeutung und bislang nicht hinreichend geklärt.
Ende der Entscheidung
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